12. SONNTAG im Jahreskreis
Evangelium nach Matthäus (10,26-33)
„Fürchtet euch nicht!“ - Mit diesen ermutigenden Worten von Jesus will der Evangelist Matthäus seiner Gemeinde Mut machen. Die Situation ist sehr angespannt: Vor ca. 10 Jahren ist die Stadt Jerusalem von den Römern dem Boden gleich gemacht, gründlich zerstört worden. Kein Jude darf das Areal noch betreten. Auch die ersten Christen, die Juden waren, lebten unter dieser Unterdrückung. Als neue Religionsgemeinschaft durften sie den Römern nicht zu stark auffallen. Mit den übrigen Juden lebten sie im Konflikt. Sie wurden sogar verfolgt. Es verlangte Mut, sich in der Öffentlichkeit als Anhänger von Jesus zu bekennen. „Fürchtet euch nicht vor den Menschen!“
Zum Glück befinden wir uns heute nicht in einer solchen Situation. Auch nicht in einer stalinistischen oder nationalsozialistischen Diktatur. Auch nicht im kommunistischen China, Nordkorea oder in einem streng muslimischen Land, wo das Tragen eines kleinen Kreuzes schon strafbar ist, wo man wegen des Besitzes einer Bibel schon eingesperrt wird. Wer sich zu Jesus bekennt, Christ ist, der muss in unserem Land nicht um sein Leben fürchten.
Trotzdem bekommt man oft den Eindruck, dass Christen sich fürchten, sich öffentlich und ausdrücklich zu Jesus zu bekennen. Der christliche Glaube ist in unserer Gesellschaft nicht mehr gefragt. Er scheint keinen Einfluss mehr auf das Leben der meisten Menschen auszuüben. Religion ist - bitteschön - Privatsache, etwas fürs stille Kämmerchen; im öffentlichen Leben ist kein Platz für einen Glauben. Darauf möchte man nicht angesprochen werden. Zudem: Religion ist in den Augen vieler Menschen etwas von gestern; das ist etwas für naive Gemüter. Als Christen sind wir hier in der Großfeldsiedlung eine Minderheit. Mehr als die Hälfte hat eine andere Religion und ein Großteil ist „ohne Bekenntnis“. Nimmt man noch Notiz von uns? Einmal im Jahr eine Fronleichnamsprozession und einmal (in viel kleinerem Rahmen) ein Pfarrkreuzweg. Fallen wir noch auf?
Wieso eigentlich hat die "Gretchenfrage" eine sprichwörtliche Berühmtheit erlangt? „Nun sag, wie hast du's mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub', du hältst nicht viel davon." Offenbar trifft diese Gretchenfrage immer noch einen Nerv, eine empfindliche Stelle. „Glaubst du an Gott, an Jesus?" Diese schlichte und direkte Frage wagt man heutzutage kaum noch zu stellen. Sie ruft doch oft Verlegenheit hervor, wird als peinlich und indiskret empfunden, oft sogar in der eigenen Familie.
Wie oft reden wir über unseren ganz persönlichen Glauben an Jesus mit dem eigenen Partner/ der Partnerin? Mit den eigenen Kindern? Und das nicht so sehr in Diskussionen und Streitgesprächen, sondern: Wie oft zeige ich, bezeuge ich, dass mein Glaube an Jesus mir wichtig ist, für mein Leben bedeutungsvoll ist, ja mich irgendwie froh und glücklich macht?
Durch so ein Bekenntnis zu Jesus mache ich mich verwundbar, verletzbar. Ich teile ja dann anderen etwas von meinem Inneren mit. Sie könnten es verspotten, lächerlich machen, mich für dumm und naiv verkaufen. Denn das ist ja die Furcht, sich lächerlich zu machen, nicht ernst genommen zu werden; die Furcht, als Außenseiter, als Sonderling dazustehen. So betrachtet zu werden, schmerzt. Wie weit sind wir bereit, uns für unseren Glauben einsetzen, uns wirklich ausdrücklich anderen gegenüber zu Jesus zu bekennen?
„Fürchte dich nicht!“ Jesus stärkt uns den Rücken: Wovor sollten wir uns noch fürchten? Gott steht hinter uns, und ihm sind wir mehr wert als eine Handvoll Spatzen, um die er sich auch kümmert. „Wer glaubt, ist nie allein“, hat Papst Benedikt einmal geschrieben. Wir können das Vertrauen haben, dass Gott uns immer begleitet, dass wir nicht tiefer fallen können als in seine Hand, wie wir es in einem unserer Lieder singen. Jesus will uns Mut machen. „Fürchte dich nicht! Wer sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen." Jesus verlangt mit diesen Worten das öffentliche, eindeutige Bekenntnis derjenigen, die sich Christen nennen. Ein Bekenntnis erfordert immer Mut, auch heute. Jesus will uns dazu stärken.